(25.04.2022) ETFs sind sicher, transparent und billig. Haben aktiv verwaltete Investmentfonds ausgedient?

Im vergangenen Jahr 2021 bescherten Rekordmittelzuflüsse von über 160 Mrd. EUR in Europa der ETF-Branche einen neuen Höchststand von mehr als 1 Billion EUR verwalteten Vermögen (Quelle: Lipper, Refinitiv). In Europa liegt an Anteil passiver Indexfonds am gesamten verwalteten Fondsvermögen bereits bei rund zehn Prozent, in Deutschland ist der Anteil mittlerweile noch höher.

Was machen ETFs bei institutionellen und privaten Anlegern so beliebt?

Die Kosten

Die laufenden Kosten liegen bei passiven Aktien-ETFs im Mittel bei 0,25% pro Jahr, während diese bei aktiv verwalteten Aktienfonds im Mittel bei 1,34% pro Jahr liegen (Quelle: Morningstar Direct). Dieser jährliche Kostenvorteil summiert sich Jahr für Jahr und sorgt für das zweite große Argument für eine Investition in ETFs.

Die Wertentwicklung

Im Durchschnitt schafften es gerade einmal 20% der aktiv verwalteten Aktienfonds, in den letzten 10 Jahren ihren Index zu übertreffen (Quelle: Morningstar Direct). Eine auf den ersten Blick bescheidene Quote, die sich aber dadurch relativiert, dass kein einziger ETF seinen Index übertreffen kann, da dieser je eben seinen Index nachbildet und demnach nach Kosten keine Outperformance liefern kann. Der vermeintliche Vorteil bei der Wertentwicklung relativiert sich noch weiter mit der Erkenntnis, dass immerhin 60% der aktiv verwalteten Aktienfonds aus dem günstigsten Kostenquintil ihren Index in den letzten 10 Jahren übertreffen konnten (Quelle: Morningstar Direct). Wer also bei der Aktienfondsauswahl auf die Kosten achtet, hat eine sehr gute Chance einen Mehrwert gegenüber einem passiven ETF zu erzielen.

Worauf sollten Anleger bei ihrer Entscheidung aktiv oder passiv achten?

Das Risiko

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Sehr beliebt bei ETF-Investoren ist der „MSCI World Index“ (Grafik: Stammdaten, Quelle: FONDSNET depotplattform.de). Der Index besteht aus 1.543 Unternehmen aus 23 Industrienationen und 14 Währungsräumen. Auf den ersten Blick sollte man vermuten, dass hier eine optimale Risikostreuung, eine gute Diversifikation und keine Klumpenrisiken vorliegen. Schauen wir doch einmal etwas genauer hin:

Die Ländergewichtung

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Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben im „MSCI World Index“ einen Anteil von 68,8% (Grafik: Regionale Gewichtung, Quelle: FONDSNET depotplattform.de). Bei genauerer Betrachtung handelt es sich also um einen US-Aktienfonds mit ein wenig internationaler Beimischung. Deutschland beispielsweise hat in diesem Index eine Gewichtung von gerade einmal 2,3%. Sind sich alle Investoren der Tatsache bewusst, dass die Entwicklung US-amerikanischer Aktien und die Entwicklung des US-Dollar stark überproportionalen Einfluss auf ihr vermeintlich global gestreutes Investment haben?

Die Branchengewichtung

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Unternehmen aus der Informationstechnologie haben im „MSCI World Index“ eine Gewichtung von 22,4% (Grafik: Branchengewichtung, Quelle: FONDSNET depotplattform.de), also fast einem Viertel der gesamten Investition. Der technologische Fortschritt der letzten Dekade und die damit einhergehenden Aktienkursentwicklungen haben zu einer Übergewichtung dieses Sektors geführt, die neben den Chancen auch ganz beträchtliche Risiken beinhaltet. Sind sich alle Investoren darüber im Klaren, dass die Entwicklung dieses Sektors ganz erheblichen Einfluss auf ihr vermeintlich breit diversifiziertes Investment hat?

Die größten Einzelpositionen

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Mit Apple, Microsoft, Amazon, Tesla, Alphabet (Google), Nvidia und Meta Platforms (Facebook) haben nur 7 Unternehmen aus den USA und aus dem Sektor Technologie ein Gewicht von 17,5% im „MSCI World Index“ (Grafik: Top-10 Positionen, Quelle: FONDSNET depotplattform.de). Nur 7 Aktien bestimmen demnach knapp ein Fünftel der Wertentwicklung des Index. Allein Apple hat einen höheren Marktwert als alle 40 Aktien aus dem deutschen Aktienindex „DAX“ zusammen. Mit dem Postulat einer breiten Risikostreuung und der Vermeidung von Klumpenrisiken scheint eine solch einseitige Konzentration nur schwer vereinbar zu sein. Ist allen Investoren bewusst, dass nur 7 Einzelaktien maßgeblich die Entwicklung ihrer gesamten Investition beeinflussen?

Der Rückspiegel

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Viele Investoren, aber auch viele Profis aus der Finanzbranche schauen gern auf die letzten 10 Jahre, um den Erfolg oder Misserfolg einer Investition zu beurteilen. Warum auch nicht? Nach gängiger Meinung sind 10 Jahre ein langfristiger Zeitraum, der geeignet ist um zu einer solchen Beurteilung zu gelangen. Nun hat gerade in den letzten 10 Jahren die Dominanz der USA, der technologische Fortschritt und die Monopolisierung weniger Unternehmen zu den oben beschriebenen Übergewichtungen geführt. ETFs auf den hier beleuchteten „MSCI World Index“ haben in den letzten 10 Jahren so gut wie jeden aktiv verwalteten globalen Aktienfonds hinter sich gelassen. Damit fällt die Entscheidung doch leicht.

Wirklich?

Investoren täten gut daran, sich auch einmal die Dekade davor, also beispielsweise die Jahre von 2000 bis 2012 anzuschauen (Grafik: MSCI World EUR 2000 bis 2021, Quelle: FONDSNET depotplattform.de). Das Platzen der Technologieblase 2000 bis 2002 und die Finanzkrise 2007 bis 2008 haben seinerzeit tiefe Kerben in jedem globalen Aktieninvestment hinterlassen. Vielen, sogar sehr vielen aktiv verwalteten Aktienfonds ist es in dieser Zeit gelungen, einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem „MSCI World Index“ zu liefern. Wissen alle Investoren, dass der erste ETF auf den „MSCI World Index“ erst im Jahr 2006 in Deutschland zu kaufen war, die meisten erst ab 2010 aufgelegt wurden und auch ein oder zwei Blicke auf die Zeit davor wichtig wären, um sich ein komplettes Bild zu machen?

Das Fazit

Ist allen Investoren klar, dass sich die vor uns liegenden 10 Jahre nicht zwangsläufig ähnlich oder gar gleich der vergangenen 10 Jahre entwickeln könnten? Der Blick in den Rückspiegel kann trügerisch sein und kann zu Unfällen führen. Wer als Investor erfahren genug ist, eine klare Markterwartung hat und über eine erprobte Risikotoleranz verfügt, kann auch mit einer Investition im „MSCI World Index“ glücklich werden. Alle anderen sollten sich einen erfahrenen, seriösen und preiswerten Geldverwalter suchen, der einen klaren Anlageprozess verfolgt und die Risikotoleranz seiner Investoren berücksichtigt.